Nun sitzen wir hier in Puerto Montt bei Bier und versuchen die letzten vier Wochen auf der Carretera Austral Revue passieren zu lassen. Diese Straße führt von Villa O’Higgins im Süden 1247km nach Norden, bis nach Puerto Montt. Sie verbindet sehr entlegene Gegenden. Begonnen in den 70ern ist der aktuell letzte Teil erst 2001 fertigestellt worden. Der Unterhalt der Straße frisst Millionen. Das meiste der Strecke ist Schotterpiste, teilweise schmal wie ein Odenwälder Waldwirtschaftsweg. Manchmal gibt es auch frisch geteerte, zweispurige Straßenabschnitte mit Seitenstreifen, auf den die Räder nur so dahinfliegen. Neben der Wegstrecke waren auch mehr als 10000 Höhenmeter zu bewältigen - wobei hier gilt: Wo es rauf geht, geht es irgendwann auch wieder runter.
Entgegen aller Erzählungen und Prognosen von anderen, die die Straße vor uns bereisten, hatten wir die meisten Zeit schönes Wetter und fast keine Regen. Manchmal kamen wir in neue Täler in den es etwas tröpfelte, die eine oder andere Nacht hatten wir auch ein bischen Trommelgeräusche auf dem Zeltdach. Normalerweise war der Spuk aber morgens vorbei und wir radelten durch sonnige Tage. Der Wind hatte sich auch verändert. Er kam nicht nur aus Westen, sondern meist auch aus Norden. Jedoch war er viel schwächer, und wir sind den Wind nun ja schon gewöhnt. Schön ist es allerdings, wenn man “Hobbyradler”* bei ihrer einzigen Gegenwindetappe begegnet, und sie kräftig fluchen. Während es ganz im Süden noch relativ frisch war, stiegen die Temperaturen Richtung Norden an, wir konnten mit offenem Schlafsack schlafen und mussten tagsüber Sonnenschutz auftragen.
Feucht ist die Luft am Morgen
Sehr einfach war die Etappenplanung, wir konnten eigentlich fast überall direkt neben der Straße schlafen. Meist gab es Plätze für unser Zelt, die von der Straße nicht direkt zu sehen waren. Frisches Wasser lief eigentlich immer irgendwo runter, entweder von den Felswänden am Straßenrand, oder in den Eiskalten Flüssen. Typischerweise war die Aussicht an diesen Schlafplätzen auch super. Manchmal gab es sogar Fährwartehäuschen und Refugios mit Feuerstelle und Feuerholz. Einmal in diesen 4 Wochen leisteten wir uns auch den Luxus eines Hostelbettes mit neuen, super bequemen Matratzen und hervorragender sanitärer Einrichtung - Glück gehabt und bei der Bettensuche an die richtige Tür geklopft.
Schlafplatz am Fluss
Die Landschaft rund um die Straße erklärt leicht, warum der Bau der Straße so lange gedauert hat. Es gab fast überall Berge, außer dort wo Flüsse, Gletscher Platz für Täler geschaffen hatten. Manchmal wurden diese Täler dann wieder von Seen oder Fjorden gefüllt, was den Straßenbau nicht unbedingt erleichterte. Hübsch anzusehen war es aber allemal. Toll waren natürlich auch vier mehr oder weniger lange Fährüberfahrten an Stellen, wo das mit dem Straßenbau gar nicht ging. Dank des (zumindest bevor wir ankamen) üppig fallenden Regens gab es rund um die Straßé auch immer beeindruckende Vegetation. An vielen Stellen radelten wir durch Regenwald (“Gemäßigter Regenwald”). Oft war auch zumindest auf einer Seite der Straße eine senkrechte Felswand, in der noch Spuren der Sprengarbeiten des Straßenbaus zu erkennen waren. Meist ging der Fels hoch, manchmal aber auch steil runter.
Einer der vielen Seen
Neben der alltäglichen wunderschönen Landschaft, gab es ab und an auch welche die nochmals extra herausgestochen ist. Dazu zählen diverse als Nationalpark geschützte Ecken, wie aber auch die “Cuevas de Marmol”. Die ausgewaschenenen Felsen und Küstenabschnitte bekommen besonders bei Sonnenschein ein strahlend blaues Antlitz. Im Nationalpark Queulat bewunderten wir den ‘verwunschenen Wald’, und einen hängenden Gletscher. Im Park Pumalin bekamen wir beeindruckende Wasserfälle und unseren ersten, erkennbaren, Vulkan zu Gesicht.Erwähnenswert ist auch die Caleta Tortel, eine bewohnte Bucht, wo es keine Straßen gibt, sondern nur Stege und Häuser auf Stelzen.
Cuevas de Marmol 1
Cuevas de Marmol 2
“Verwunschener Wald”, mit verzauberter Biologin
Caleta Tortel, zumindest ein Teil davon
Eine weitere Besonderheit stand lebendig am Straßenrand - ein Huemul. Wir sahen schon lange Warnschilder, dass Autos doch bitte langsam fahren sollen um diesen seltenen Hirsch nicht auf die Stoßstange zu nehmen. Es gab sogar Schilder, die daran erinnerten, dass dort ein Huemul getötet wurde… Moritz behauptete schon die ganze Zeit, dass das Huemul nur ein Marketing-Gag der chilenischen Straßenbehörde sei.
Es existiert tatsächlich - das Huemul
Nach mehr als 1300km sind wir mit vielen dreckigen Kleidungsstücken, wenig übriggebliebenen Vorräten und ein klein bischen Radel-Überdruss in Puerto Montt angekommen. Hier haben wir die letzten Tage ausgespannt, ausgeschlafen, unsere Taschen ausgepackt und unseren Blog auf Vorderfrau gebracht. Ab morgen probieren wir eine andere Möglichkeit des Reisens aus. Wir haben für fünf Tage einen Pick-up und werden ein bischen durch dir Gegend düsen bevor es dann wieder aufs Rad geht!
Eines unserer Lieblingsstraßenschilder - hoffen wir das es so weiter geht
* Hobbyradler: Sind meist weniger als einen Monat unterwegs, begrenzen ihr Tätigkeitsfeld auf eine Straße/Region, und haben viel weniger Ersatzteile im Gepäck.